Blog - Aktuelles Thema
Die Freud` des Maler-Handwerks – und das Leid:
Teil 1 Fassadenarbeiten im warmen Winter – offener Brief an eine Hauverwaltung
Immer häufiger erreichen uns Anfragen von Wohneigentumsgesellschaften für Fassadenarbeiten schon im Februar. Weil das Wetter gerade so schön ist. Deshalb solle die Umsetzung auch schnell erfolgen. Am besten „von einer Woche auf die andere“. Das freut uns einerseits. Andererseits sind wir bei großflächigen Außenarbeiten nicht ganz so flexibel. Warum das so ist, habe ich in einem Brief an eine Hausverwaltung zusammengefasst. In diesem Sinne ...
„Sehr geehrte Hausverwalterinnen und Hausverwalter,
vielen Dank für Ihre Nachfrage!
Im Allgemeinen führen wir Fassadenarbeiten in der trockenen und warmen Jahreszeit aus.
Diese erstreckt sich von Mitte April bis Ende Oktober. In diesen Monaten können wir in der Regel mit Temperaturen von + 5 °C in der Nacht und über + 15 °C am Tag rechnen. Dazu kein Regen und nur wenig Tau. Optimale Voraussetzungen für einen Fassadenanstrich!
In manchen Jahren kommt es zu außergewöhnlicher Witterung und es ist im Februar so warm wie in diesem Jahr 2024.
Ein derart wundervolles Wetter ist jedoch nicht kalkulierbar. Insbesondere für Fassadenarbeiten bei Mehrfamilienhäusern müssen wir aber genau das tun: vorausschauend kalkulieren.
Je nach Luftfeuchtigkeit brauchen Fassadenanstriche mehrere Stunden oder sogar Tage zum Trocknen. Wenn es in dieser Zeit regnet, wäscht sich die neue Farbe wieder ab.
Deshalb meine vorsichtige Terminplanung.
Und: Bei Fassaden ist ja nicht nur mal eben eine Wand zu streichen, sondern oft Flächen von mehreren hundert Quadratmetern. Und das im Freien.
Hierfür brauchen wir zudem
- – ein Gerüst + Gerüstbauer
- – ausreichend Personal, um effizient zu arbeiten
Auch unser Betrieb leidet unter Fachkräftemangel. Mein Bestreben als Arbeitgeber ist es, gute Arbeitsbedingungen für mein Personal zu schaffen.
Deshalb terminieren wir die meisten Arbeiten mit zirka 1 bis 2 Wochen Vorlauf. Den Ausführungszeitraum selber legen wir natürlich schon vorher fest. So sorge ich als Arbeitgeber dafür, dass meine Mitarbeitenden stets ausgelastet – und nicht überlastet oder ohne Arbeit sind.
Insbesondere die Personalplanung ist zu einem unkalkulierbaren Faktor in unserem Handwerk geworden. Fast noch weniger vorhersehbar, als das Wetter.
Hatten wir letztes Jahr um diese Zeit noch 9 Mitarbeitende, sind es heuer nur noch 6.
Einer hat sich mit den Kollegen zerstritten, und wollte näher an seinem Wohnort arbeiten.
Ein anderer hatte plötzlich keine Lust mehr zu arbeiten: Mit seinen 3 Kindern bekommt er mehr Geld von Amt, als er durch Arbeit verdient. Eine 4 Tage Woche in Teilzeit hatte er eh´ schon. Er ist seit Oktober 2023 zu Hause. Das nennt man heute „Work-Life-Balance“.
Der Dritte ist zurück in seine Heimat Italien gegangen, weil sich seine Frau in Deutschland nicht eingewöhnen konnte. Trotz 2 Kindern fand Sie keinen Anschluss und lernte auch in 6 Jahren kein Deutsch. Um nicht von seiner Familie getrennt zu leben, blieb Ihm nichts anderes übrig, als zurück in seine Heimat zu gehen.
Ich spreche hier nicht über Hilfskräfte oder Leiharbeiter, sondern über gut ausgebildete Fachkräfte. Diese sind nicht leicht zu ersetzen.
Neues Personal zu finden ist bei 2 % Arbeitslosenquote in Erding ist auch nicht so einfach. In den letzten Jahren haben sich nur 3 bis 10 Lehrlinge pro Jahr im Bereich Erding und Freising zum Maler ausbilden lassen. Das bei ca. 320 000 Einwohnern in beiden Landkreisen
Sie sehen: Die Planung ist nicht so einfach.
Ich kann momentan bei Außenarbeiten nicht sagen: `Wir kommen in 2 oder 3 Wochen`. Ich kann das Wetter nicht so lange im Voraus einschätzen – und muss als Arbeitgeber gleichzeitig dafür sorgen, dass mein Team beschäftigt ist.
Ihre Fassaden habe ich für das Frühjahr vorgesehen – bei guter Witterung ab Mitte bis Ende April. Auch dann können wir nur hoffen, dass das Wetter beständig bleibt. Und wir nach witterungsbedingten Pausen zeitnah weiterarbeiten können.
Bitte haben Sie daher Verständnis dafür, dass wir nicht so flexibel sein können, wie wir gerne möchten.
Wir sind „dran“ und arbeiten alles Stück für Stück ab.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Jürgen Beil“